Ich sehe Dich in tausend Bildern…

Maria, Stern im Meere und Hilfe der Christen (24. Mai)

Unser Leben gleicht einer Fahrt übers Meer. Manchmal schaukeln wir im Schifflein unseres Lebens bei Sonnenschein und leichter Brise eher lustig über die Wellen, manchmal aber ändert sich die Situation und die Wellen werden hoch und höher, der Wind bläst heftig und hindert uns scheinbar, überhaupt noch voranzukommen. Dann aber gibt es auch noch die wirklichen Stürme, ja sogar Orkane, in denen durch die Gewalt des Wassers und des Windes unser Schiff sogar zerbersten oder untergehen kann, und wir finden uns oft plötzlich in Situationen, in denen jegliche Hoffnung und jeglicher Trost völlig verschwunden zu sein scheint!
Selbst auf dem doch eher kleinen See Genezareth sind die Apostel damals in Not und Lebensgefahr geraten, wie uns die Evangelisten berichten (vgl. Mt.8,23). Erst recht bedeutete seit jeher ein Versuch der Überquerung von Meeren oder Ozeanen immer ein ungewisses Abenteuer. Und noch heute, da Schiffe oft beinahe unvorstellbare Größe und Stabilität besitzen, ist eine Fahrt übers Meer doch nie ganz ungefährlich, so dass Besatzung und Passagiere beim Auslaufen immer noch den Ernstfall einer möglichen Katastrophe proben und sich auch darauf vorbereiten müssen.
Die Jünger mit Jesus im Boot sind zum Urbild der Kirche geworden, die wie ein Schiff durch die ruhigen oder auch stürmischen Zeiten segelt. Besonders schwierig scheint es für Unerfahrene zu werden, wenn Dunkelheit das Schiff umfängt. Auf hoher See gibt es doch schon bei Licht kaum Anhaltspunkte, an denen man sich orientieren kann. Verblüffenderweise schenkt der Himmel aber gerade dann, wenn alles dunkel erscheint, den Seeleuten eine ausgezeichnete Orientierungsmöglichkeit. Wer sich im äußersten Dunkel der Nacht befindet, lernt, den Blick nach oben zu wenden. Besonders in Wüsten oder auf dem Meer machten die Menschen schon früh die Erfahrung, dass unscheinbare, kleine Sterne oft sicherere Wegweiser sein können als das gleißende Licht des Tages. Selbst primitive Völker, die zerstreut auf hunderte Kilometern voneinander entfernten, winzigen Inseln leben, konnten und können so durch den einfachen Blick hinauf zu den Sternen den Weg von einer zur anderen Insel zielsicher finden.
Der Sternenhimmel erinnert uns daran, dass Gott uns gerade dann nahe ist und sicher leitet, wenn wir meinen, in größter Dunkelheit verloren zu sein! Wie die Jünger von Jesus zurechtgewiesen wurden, weil sie in einem Sturm so schnell die Hoffnung und den Glauben verloren haben (vgl. Mt.8,26 par.), so will Er auch von uns, dass wir in der Dunkelheit, die uns umgibt, nicht die stillen Zeichen Seiner Hilfe übersehen, die Er uns anbietet.
Eine besondere Hilfe auf dem Weg zu Christus und ein guter Orientierungspunkt in aller Dunkelheit des Lebens ist Maria, die von der Kirche deshalb auch gleichnishaft als die 'stella maris' (Meerstern) angerufen wird, oder als die 'stella matutina' (Morgenstern), die das Licht Christi als erste widerspiegelt und so in der Finsternis als das erste Hoffnungszeichen am Firmament und als ein Wegweiser aus Nacht und Unsicherheit erscheint. Mitten in der Finsternis ist sie das Zeichen und der erste Lichtstrahl der kommenden, anbrechenden und erwarteten Fülle der Wärme und der Helligkeit des Tages! Jeder, der längere Zeit in der Dunkelheit und der Kälte der Nacht zubringen muss, weiß, wie sehr ein solches Zeichen des anbrechenden Tages Trost und Hoffnung zurückbringt. Der Morgenstern kündet an: Finsternis und Kälte, welche die Welt doch scheinbar so fest im Griff haben und scheinbar das Leben vernichten, werden nicht endgültig bestehen, Licht und Wärme werden Freude und Leben wieder ermöglichen und die Finsternis besiegen!
Nicht nur in der Lauretanischen Litanei, sondern auch in vielen Gebeten und Liedern wird und wurde Maria deshalb dieser Titel verliehen. An ihr konnte und sollte sich die Kirche orientieren, selbst wenn sich die Sonne scheinbar zurückgezogen hatte und jede Möglichkeit des Fortkommens scheinbar genommen war. Weil Maria der von Gott geschaffene Stern ist, der uns den Weg zum Licht und zur wahren Sonne Christus weist, hat die Kirche immer mit Freude auf sie geblickt und sie mit kindlicher Liebe um ihren Schutz, ihre Erleuchtung und ihre Führung angerufen.
Praktisch alle Heiligen haben uns deshalb auch eine tiefe Liebe zu Maria vorgelebt. Wie sollten wir als Christen Maria nicht lieben, sie nicht verehren oder um ihre Hilfe anflehen, sie, die doch Christus hier auf Erden am nächsten gestanden ist? Schon die Heilige Schrift weist auf die besondere Rolle Mariens im Heilsplan Gottes hin. In der allerersten Zeit der Kirche finden wir Maria nach der Himmelfahrt Christi im Kreis der Apostel und Jünger und im Gebet mit ihnen vereint (vgl. Apg.1,14). Zwar spielte im Leben der Kirche zunächst vor allem das Christusgeheimnis und die Bedeutung des Neuen Bundes eine Rolle und sollte somit auch der Welt verkündet werden. Manch andere Wahrheit des Glaubens trat deshalb noch nicht so stark im Leben und in der Lehre zutage. Doch schon bald zeigte sich, wie eng auch viele andere Glaubensinhalte mit unserem Glauben an Christus verbunden und verwoben sind, der uns auch Maria zu lieben und zu ehren lehrt.
So hat das Konzil von Ephesus (431) auch deshalb die Verbindung der göttlichen und menschlichen Natur in Christus verteidigt (die nicht aufgelöst werden kann, ohne ein falsches Bild von Christus zu zeichnen), weil Nestorius damals behauptete, dass Maria zwar Christusgebärerin, nicht aber auch wahrhaft Gottesgebärerin genannt werden könne. Das Konzil verurteilte diese Auffassung und verteidigte die überlieferte Praxis und Lehre der Kirche, die Maria als Gottesmutter oder Gottesgebärerin verehrt, weil die göttliche und menschliche Natur in Christus zwar nicht vermischt, aber doch auch nicht getrennt, sondern nur vereint richtig dargestellt und verstanden werden kann und darf.
Das Neue Testament stellt uns Maria besonders in dieser ihrer Berufung als Gottesmutter vor Augen, die aber Jesus vom Kreuz herab auch Seinem Jünger Johannes und damit Seiner ganzen Kirche als Mutter hinterlässt (vgl. Joh. 19,27). Die heilsgeschichtliche Bedeutung Mariens als neue Eva verdeutlicht die christliche Überlieferung im 2. Jahrhundert in Bildern und apokryphen Schriften. Das älteste noch bekannte Gebet zu Maria „Unter deinen Schutz“ stammt aus dem 3. Jahrhundert. Und so entfaltete sich die Marienverehrung der Kirche immer mehr, seit dem 4. Jahrhundert vor allem auch durch ihr besonders geweihte Kirchen, durch Feste, durch Bilder, schließlich nach der Jahrtausendwende auch durch das Gedenken an besondere Themen wie die Schmerzensmutter, Wallfahrten und Patronate.
So bedrohlich die Lage der Kirche auch oft aussieht, so wenig können und dürfen wir gerade in Schwierigkeiten das Vertrauen und den Blick nach oben zum Himmel vergessen. Falls alles scheinbar dunkel wird, Christus ist doch verborgen immer mitten unter Seinen Jüngern, wenn Er auch manchmal scheinbar schwach wie das Kind auf den Armen Seiner Mutter erscheint. Im Glanz Jesu Christi, ihres Sohnes, strahlt Maria in der Dunkelheit der Nacht durch ihre Berufung als Mutter und Wegweiserin hin zu ihrem Sohn und macht unser Herz bereit für das Kommen der wahren Sonne Jesus Christus. So schenkt sie uns Hoffnung und Trost, aber auch Orientierung auf einem schwierigen Weg durch die Zeit hin zu unserem von Gott gesetzten Ziel.
Maria ist so die Helferin der Christen, ein Titel, unter dem sie ebenfalls in der Lauretanischen Litanei angerufen wird, den die Kirche aber besonders verwendet, seit Papst Pius VII., nach viereinhalbjähriger Gefangenschaft aus der Gewalt Napoleons befreit, ein Fest dieses Namens ihr zu Ehren am 24. Mai eingesetzt hat, dem Tag, als er 1814 nach langen und schweren Strapazen endlich, unter großem Jubel der Bevölkerung, wieder heimkehren konnte nach Rom. Seither wird Maria weltweit auch ausdrücklich unter diesem Titel verehrt, sie, deren Kinder sie jedoch immer schon auch ohne diesen ausdrücklichen Titel besonders um ihre Hilfe angefleht und diese von ihr auch erhalten haben!
Es ist bis heute bekannt bekannt, dass der heilige Don Bosco (1815 - 1888) - durch seine bahnbrechende Seelsorge an armen, in der Großstadt verlorenen, teils auch auf die schiefe Bahn gekommenen Jungen in Turin - sich mit seinen Schützlingen immer einen ganzen Monat lang auf dieses Fest besonders vorbereitete. Er ist zu einem besonderen Apostel der Maria-Hilf-Verehrung geworden und hat auch in Turin eine eigene Maria-Hilf-Kirche erbaut.
Viele fragten sich damals und fragen auch noch heute, wie es ihm gelungen ist, aus wilden, oft unberechenbaren Jugendlichen heilige und Gott liebende Menschen zu formen, die auch bereit waren, für Christus und ihre Mitmenschen alles zu geben. Don Bosco selbst hätte wahrscheinlich vor allem auf die Hilfe der Gnade hingewiesen - und auf Maria, die ihm und seiner Gemeinschaft diese Gnade in vielfältiger Weise vermittelt hat!
Sie war es, die ihn schon in Kindestagen in einem Traum gelehrt hatte, eine Horde wilder, fluchender Knaben durch Geduld und Güte zu bändigen. Aus den Buben, die er im Traum plötzlich als wilde Tiere wahrnahm, wurden so durch diesen Rat und den Beistand der Gottesmutter am Ende friedliche und freundliche Lämmer.
Don Bosco hat dann später als Priester tatsächlich tausende junge Menschen auf den Weg der Gnade und der Heiligkeit geführt. Durch seine Güte, die Maria ihn gelehrt hatte, führte er verwahrloste und oft selbst kriminell gewordene Jugendliche zurück oder neu in die Gemeinschaft mit Christus und mit anderen aufrecht christlich bemühten Jugendlichen und gab ihnen so Halt und moralische Unterstützung für die Bewältigung ihres oft schweren Alltags und Arbeitslebens.
Berufen zu diesem Werk wurde er „zufällig“ am Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens (8. Dezember) des Jahres 1841, als Maria ihm den ersten Jugendlichen zuführte, den sechzehnjährigen Bartolomeo Garelli, der bereits beide Eltern verloren hatte und nun von Asti nach Turin gekommen war, um hier in der Großstadt als Maurer auf Baustellen etwas Geld zu verdienen. Der Junge war in die Sakristei getreten, möglicherweise um, wie es in manchen Dörfern üblich war, wegen seiner schlechten Kleider von dort aus der Messe beizuwohnen, von wo er aber vom Mesner vertrieben wurde. Don Bosco ließ ihn zurückrufen und gab ihm nach der heiligen Messe den ersten Religionsunterricht, den er mit einem „Gegrüßet seist Du, Maria“ begann. Er lud ihn ein, am Sonntag seine Freunde mitzubringen und wiederzukommen, und so kamen die ersten neun, mit denen Don Bosco dann sein großes Werk für die Jugend begann. Fünfundvierzig Jahre später bekannte der Heilige seinen Mitbrüdern: „Aller Segen, den wir vom Himmel erhalten haben, ist die Frucht dieses ersten Ave Maria, das ich mit Eifer und in rechter Absicht gebetet habe“ (Bosco, Teresio, Don Bosco, München 1987, S.92).
Und so hat er später als Priester seine Burschen auch vor allem zu dieser unser aller Mutter hingeführt und mit ihnen, wie gesagt, alljährlich das Fest Mariens, der „Hilfe der Christen“, in außergewöhnlicher Feierlichkeit begangen. Der 24. Mai ist für Turin auch nach seinem Tod ein besonderer Feiertag geblieben, hat doch der heilige Don Bosco dieser Helferin der Christen dort eine der prachtvollsten Kirchen Turins erbaut, wobei er praktisch mittellos begann, sie dann aber schon nach drei Jahren auf wunderbare Weise vollenden konnte, in grenzenlosem Vertrauen auf Mariens Hilfe, das zwar bisweilen auch bei ihm hart erprobt, aber niemals enttäuscht wurde.
Den Hochaltar dieser Kirche krönt die Darstellung Mariens als „Hilfe der Christen“, ein Bild, das nach den Vorgaben und Ideen Don Boscos gemalt wurde. Es zeigt die unter der Gnadensonne des Heiligen Geistes versammelten Stände und Generationen der Kirche und ihrer Heiligen, geschart um die Gottesmutter, die, ein Zepter in der Hand und eine Krone auf dem Haupt, ihren göttlichen Sohn Jesus Christus auf dem Arm trägt, der Seine Kirche segnet und regiert. Die Kirche lebt in dieser harmonischen Sammlung in Frieden und Heil und ist so ein lebendiges Zeichen für die Welt, weil die Liebe Gottes auch das Leben der Glieder der Kirche überstrahlt und sie in übernatürlicher Weise eint.
Auch heute vereinigen wir uns als Jünger Jesu mit Freude und Zuversicht um unsere himmlische Mutter! Mögen die Feinde der Kirche glauben zu triumphieren, Christus bleibt der Herr, der nicht zulässt, dass die Pforten der Hölle Seine Kirche überwältigen, und der sie durch alle Zeiten im überlieferten Glauben der Kirche eint! Und diese Seine Hilfe vermittelt Er besonders gern auch durch Seine Mutter, die Königin aller Heiligen, Maria!
Setzen wir also als Diener Jesu Christi mutig die Segel, bleiben wir dem nie alt werdenden Glauben der Apostel treu, lassen wir uns vom Gnadenlicht Christi wärmen und leiten, und wenn Er es zulassen sollte, dass wir auch in dunklen Zeiten leben müssen, dann vergessen wir nicht, unseren Blick zum Himmel zu erheben, wohin Christus uns für die Nacht Maria als Morgenstern gesetzt hat, die uns sicher bis zum Anbruch des neuen, ewigen Tages führen soll, an dem alle Angst und alle Schrecken der Finsternis vergessen sein werden, wenn auch wir schließlich im Widerschein der Gnade Gottes, im Glanz Christi, unserer Sonne, selbst leuchten dürfen im Reiche unseres Vaters (vgl. Mt.13,43)!
Bis dahin beten wir: O Maria, du Hilfe der Christen, du, unser Morgenstern, bitt für uns und führe uns aus der Dunkelheit dieser Zeit heim ins Licht Deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus!

Thomas Ehrenberger

 

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